Manche Anforderungsprofile für Interim Mandate erscheinen mir als ein Sammelsurium an Anforderungen, die die letzten zehn Jahre liegen geblieben sind und die jetzt ein Interim Manager in einem sechsmonatigen Projekt wuppen soll. Neben der Führung des IT-Bereiches soll das S/4HANA Projekt jetzt endlich zum Abschluss gebracht werden, die IT-Strategie konzipiert, die ISO 27001 Zertifizierung vorbereitet, die Neuausrichtung des ITSM projektiert und die Stellenbeschreibungen der IT-Mitarbeiter überarbeitet werden. Und wo wir gerade dabei sind: bitte noch die entsprechenden Betriebsvereinbarungen mit dem Betriebsrat verhandeln und das Vendor Management nicht aus den Augen verlieren. Das Problem hier: Zeit.
Eine zweite Problemdimension wird oft erst beim zweiten Hinsehen deutlich: Interessenskonflikte. Wenn ich als Interim Manager einer Organisation einen Teamleiter coache, gleichzeitig aber für dieses Team eine Make or Buy Empfehlung entwickeln soll, erzeugt das für mich einen - zumindest emotionalen - Konflikt.
Als Manager ist es auch Ihre Aufgabe, Zeitmangel und Interessenskonflikte zu managen. Der erste Schritt dabei ist, diese Problematiken frühzeitig zu identifizieren und zu thematisieren, möglichst bereits in der Auftragsklärung. Der zweite Schritt ist - wie so oft im Managementalltag: priorisieren. Welche Punkte haben für den Kunden die höchste Priorität, was sollte auf jede Fall nach der zur Verfügung stehenden Zeit als Ergebnis auf dem Tisch liegen. Außerdem: steht Leadership oder Beratung im Vordergrund?
Meine Antwort auf die Frage, die dieser Blog-Artikel stellt, lautet: Ja, Beratung und Interim Management geht gleichzeitig. Ich würde sogar behaupten, es gibt keine Mandate, wo der Interim Manager nicht auch als Berater tätig ist. Aber das hat seine Grenzen, eine Priorisierung ist notwendig.
In Gesprächen mit Klienten habe ich oft eine Leiter als Bild vor Augen: der Klient beschreibt die letzte Sprosse der Leiter, den Reifegrad, den er für seine Organisation erreichen will. Während meines Mandates kann ich dem Klienten ein oder zwei Sprossen weiter nach oben helfen - je nach Dauer des Mandates. Wenn die Organisation schon auf der vorletzten Sprosse steht: fein. Aber wenn die Organisation noch unten auf dem Boden vor der Leiter steht, muss man ehrlich darüber sprechen, dass die letzte Sprosse nicht innerhalb des Mandates erreicht sein wird. Man kann die letzte Sprosse aber trotzdem im Auge behalten: Think Big, Start Small.