Business Cases werden in der Regel für Geldgeber erstellt, um diese vom Produkt, dessen Marktfähigkeit und daraus resultierend insgesamt von der Wirtschaftlichkeit der Idee zu überzeugen. Bei dem hier beschriebenen Business Case sind Sie gleichzeitig der Ersteller und der Adressat. Er dient dazu, Ihre eigene Geschäftsidee auf den Prüfstand zu bringen und Ihnen bei den grundlegenden Weichenstellungen Ihrer Selbständigkeit zu helfen.
Monatliche Kosten Lebenshaltung
Im einfachsten Fall: Summe der Kontoabgänge der letzten zwölf Monate (damit auch alle Einmal-Vorgänge erfasst sind) geteilt durch zwölf. Ich würde empfehlen, diese Summe erst noch um Vorgänge zu bereinigen, die aus Ihrer Sicht nicht zu den Lebenshaltungskosten gehören. Wenn ein Leben ohne Urlaub, Konzertbesuche, Investitionen ins Hobby, Zweitwagen etc. für Sie zur Not machbar ist: streichen.
Monatliche Kosten Betriebsausgaben
Wenn Sie momentan Vergünstigungen wie einen Firmenwagen oder ein Firmenhandy haben, sind das schon mal wichtige Positionen.
Weitere Punkte können sein: Büroausstattung, Steuerberater, Altersvorsorge / Krankenkasse (ab jetzt müssen Sie hier auch den Arbeitgeberanteil tragen), Berufshaftpflicht, Akquise-Aufwand, Beiträge zu Verbänden (gegebenenfalls werden Sie Pflichtmitglied in der IHK), Weiterbildungen.
Angestrebter Umsatz
Umsatz = Preis x Absatz. Für Interim Manager ist die Frage nach dem Absatz (wieviele Tage kann ich mit einem Kunden abrechnen?) manchmal wichtiger als der Preis (wie hoch soll ich meinen Tagessatz ansetzen?).
In dem Bundesland, in dem ich lebe, kommt man für 2024 bei fünf Arbeitstagen pro Woche auf die theoretische Zahl von 252 Arbeitstagen [Quelle: lohnsteuer-kompakt.de]. Oft gehen Mandate aber nicht über fünf, sondern über vier Arbeitstage pro Woche, ergibt theoretisch 201 Arbeitstage. Abzüglich sechs Wochen für Urlaub / Krankheitstage: 177. Abzüglich vier Wochen für Brückenzeiten zwischen Mandaten: 161 Arbeitstage. Aus Gesprächen mit anderen Interim Managern weiß ich, dass eine normale Jährliche Auslastung zwischen 150 und 200 Tagen liegt. Auslastung meint hier abrechenbare Tage. Inklusive Akquise, Weiterbildung und administrativen Tätigkeiten, Fahrtzeiten etc. kommt man damit schon auf ein normales Arbeitsjahr.
Und der Tagessatz? Schwierig. Auch wenn ich in meiner Anfangszeit viel Unterstützung von anderen Interim Managern erfahren habe, hier waren die Antworten meistens sehr ausweichend. Nach ein paar Jahren im Dienst kann ich diese Haltung mittlerweile verstehen, der Tagessatz ist wirklich von sehr vielen Faktoren abhängig. Damit wir jetzt hier weiter rechnen können, nehme ich einfach mal einen Tagessatz von 800 € (ohne Spesen).
Beispielrechnung (!!!): Bei den unterstellten 161 verrechenbaren Tagen kämen Sie auf einen Jahresumsatz von 128.800 €. Damit liegt Ihr zu versteuerndes Einkommen (wenn Sie nicht gemeinsam veranlagt sind) im Bereich des Spitzensteuersatzes - je nachdem, wie hoch die Kosten sind, die Sie geltend machen können. Damit wir auch hier weiter rechnen können, machen wir für einen Single die sehr grobe Schätzung, dass Sie 40 T€ Steuern bezahlen müssen. Genauso grob schätzen wir, dass für Altersvorsorge und Krankenversicherung noch mal 20 T€ fällig werden. Damit blieben ca. 68 T€, um die restlichen Betriebsausgaben und Lebenshaltungskosten zu decken. Diese Bespielrechnung ist sehr grob und ungenau, deshalb die (!!!) am Anfang des Absatzes. Aber auch wenn es sich hier nur um eine grobe Schätzung handelt, kann Sie Ihnen trotzdem ein Gefühl dafür geben, ob sich der Weg zum Steuerberater lohnt - um dann eine belastbare Rechnung aufzustellen - oder ob Sie den Traum vom Interim Management lieber aufgeben sollten.
Das Produkt
Jeder Interim Manager ist anders, arbeitet anders, hat andere Schwerpunkte und passt deshalb auf den einen Job besser als auf den anderen. Was bekommt der Klient, wenn er Sie unter Vertrag nimmt?
Mir fiel es am Anfang sehr, sehr schwer, mein Produkt zu beschreiben. Das lag zum Teil daran, dass ich nur eine oberflächliche Idee hatte. Der Druck, mein Produkt für andere zu beschreiben half mir aber, den Reifegrad meiner Idee zu verbessern. Hier sind weder falsche Bescheidenheit noch Übertreibungen angesagt. Ein CV, das aussagt: "Ich kann alles" landet schnell im Mülleimer. Es gibt aus meiner Sicht kein One-Size-Fits-All Template, aber es gibt bestimmte Dinge, die einen Klienten fast immer interessieren:
- Branchenerfahrung
- Führungserfahrung / Führungsstil
- Fachliche Schwerpunkte
- Projektliste
Das ist aber höchsten die halbe Miete. Wenn Sie nicht voran kommen, lassen Sie sich von anderen Interim Managern inspirieren: wie sehen deren Profile auf LinkedIn und Xing aus, deren Internetauftritt, deren CV etc.? Gehen Sie auf die Job-Portale der Interim Provider um zu sehen, welche Fragen dort gestellt werden.
Das Ergebnis dieser Produktbeschreibung schlägt sich dann nieder in Ihrem CV, in Ihrer Internet-Seite und Ihren Online-Profilen, vielleicht noch in einem Muster-Anschreiben. Ein Tipp noch: wenn Sie fertig sind, streichen Sie alles durch, was den Sinn nicht verändert. Freuen Sie sich über jeden Satz und jedes Wort, dass Sie löschen können. Ich versichere Ihnen, dass Sie Ihre Aussagekraft und Lesbarkeit dramatisch erhöhen werden.
Der Markt
Da jeder Interim Manager anders ist, ist auch der Markt für jeden Interim Manager anders. Je klarer Sie sich über Ihr eigenes Profil (Ihr Produkt) sind, desto klarer lässt sich auch der erreichbare Markt umreißen. Ein paar Beispiele:
Profil 1: "IT Line Manager Infrastructure Mittelstand"
- +5 Jahre Führungserfahrung
- Gute Kenntnisse in den Bereichen Network, DataCenter, Voice, AD
- Nachprüfbare Erfahrung in Betrieb und Instandhaltung von IT Infrastrukturen
- Gute Englischkenntnisse
- Festanstellungen und Mandate bei mittelständischen Unternehmen
- Qualifikation: B.Eng. Elektronik
Profil 2: "Agile Coach Software Development"
- 7 Jahre Erfahrung Projektmanagement
- Gute Kenntnisse in einschlägigen Software-Engineering Systemen (GitHub, MS DevOps, Jira)
- Track Record von +10 erfolgreich gecoachten Software Projekten
- Englisch verhandlungssicher
- Qualifikation: B.Sc. Informatik, Scrum Master, Prince 2 Zertifikat
Profil 3: "CIO / IT Director / VP IT Konzern"
- 10 Jahre Führungserfahrung CIO / IT Director / VP IT in Unternehmen +5.000 Mitarbeiter
- Budgetverantwortung >10M€
- IT-Organisationen bis 300 Mitarbeiter
- Internationales Umfeld, Auslandserfahrung
- Qualifikation: M.Sc. BWL
Schon beim Lesen dieser drei fiktiven Profile wird klar, dass der Markt nicht für jeden Interim Manager gleich ist. Profil 3 wäre wahrscheinlich kein guter Match für die Aufgabe Head of Infrastructure.
Sorgen Sie sich nicht, dass Sie Ihren Markt zu sehr begrenzen, wenn Sie in Ihrem Profil spezifisch sind. Wenn Ihr Profil passgenau zum ausgeschriebenen Job ist, erhöhen Sie Ihre Chancen, angesprochen zu werden.
Die Marktteilnehmer
Die eigentlichen Bedarfsträger in diesem Markt sind die Unternehmen, die einen Interim-Manager brauchen. Der Bedarf kann einfach darin bestehen, eine Vakanz zu überbrücken. Z.B. der Head of Software Development geht für 8 Monate in Elternzeit und es wird ein "Platzhalter" gesucht, dessen Aufgabe im Wesentlichen "Keep The Lights On" ist. Es kann aber auch jemand gesucht werden, der eine Abteilung wieder in ruhiges Fahrwasser manövriert, bevor man die Stelle permanent besetzt. Auslöser können z.B. Restrukturierungen, Merger oder Krisen in Unternehmen sein. Die Gründe sind vielfältig und wenn Sie neben Ihrer fachlichen Expertise auch Soft Skills wie Leadership, Analytisches Denken und Empathie mitbringen sind Sie für viele dieser Unternehmen interessant.
Wenn ich eben von "eigentlichen" Bedarfsträgern sprach, hatte ich - neben diesen und den Interim Managern - noch eine dritte Gruppe von Marktteilnehmern im Sinn, die eine wichtige Rolle spielen, die sogenannten Provider. Wie diese drei Marktteilnehmer zusammenspielen beschreibe ich im Artikel "Vermarktung".