Von einigen hörte ich: "Du bist verrückt. Du opferst einen gutbezahlten, sicheren Job in der Pharma-Industrie!".
Ich glaube, dass hinter solchen "Argumenten" manchmal das Unbehagen steht, in der eigenen Komfort-Zone herausgefordert zu werden. Wer lange genug im Berufsleben steht weiß, dass es so etwas wie einen sicheren Job gar nicht gibt, wir reden es uns aber manchmal gerne ein. Ich gebe zu, dass es Arbeitsverhältnisse gibt, die volatiler als andere sind, aber keines ist zu 100% sicher.
Beim Risk Management der eigenen Existenzplanung geht es also nicht um das Gegenüberstellen von Heile-Welt-Szenarien mit romantischen Utopien, sondern um das abwägen von Fakten. Dort, wo man die Fakten nicht hat, schätzt man so genau es geht.
Einschub: Ich höre jetzt vor meinem geistigen Ohr einige sagen: "Schätzen! Das geht ja gar nicht. Alles muss fakten-basiert sein.". Sorry, das ist ein Irrtum. Wenn wir alle Fakten hätten, bräuchten wir kein Risk-Management mehr. Entscheidungen auch nicht. Dann wär ja eh schon alles klar. Entscheidungsfreude ist für mich das Vertrauen darauf, fehlende Fakten möglichst gut durch eigene Einschätzungen ersetzen zu können und den Mut, diese Entscheidungen ohne Zögern und Zaudern zur Umsetzung zu bringen.
Stößt man auf nennenswerte Risiken, ist die Frage, wie man die Eintrittswahrscheinlichkeit oder die Folgen dieses Risikos mindern kann (Mitigation).
Genug der Vorrede. Folgende Risiken bzw. Risikofaktoren halte ich für relevant wenn man das Abenteuer Interim Manager angeht:
Finanzielle Tragfähigkeit
Ist der angestrebte Umsatz (siehe Business Case) höher als die Kosten (Lebenshaltung + Betriebsausgaben + Abgaben) ist die finanzielle Tragfähigkeit rechnerisch gegeben. Das Risiko ist hier ganz offensichtlich, dass ich meinen angestrebten Umsatz nicht erreiche. Gerade in der Anfangszeit ist das nicht so unwahrscheinlich. Ein befreundeter Unternehmer gab mir folgenden Rat:
Starte deine Selbständigkeit erst dann, wenn du genügend Rücklagen hast, um eine Durststrecke von sechs Monaten zu überbrücken. Diese Rücklagen sollten auch mindestens ein unvorhersehbares Ereignis wie ein nicht versicherter Schaden am Auto oder am Haus berücksichtigen.
Soziale Tragfähigkeit
Uns nahe stehende Menschen wollen uns ermutigen und uns helfen, unseren Traum zu leben. Deshalb neigen sie dazu, uns positive Rückmeldungen zu geben, wenn wir von unseren Plänen erzählen. Seien Sie hier hartnäckig, bohren Sie nach. Fragen Sie z.B. Ihren Partner: "Warum findest du das eine gute Idee? Wie fühlst du dich dabei?".
Ich habe mit einer ganze Anzahl von befreundeten Menschen regelrechte Interviews zu meiner geplanten Selbständigkeit geführt und um ehrliches Feedback gebeten. Zum einen hat sich dabei das Profil der Geschäftsidee geschärft, weil sie bei jedem Gespräch auf dem Prüfstand war. Zum anderen habe ich das Signal bekommen: Wir unterstützen dich bei deinem Vorhaben (siehe Artikel Ramp Up).
Zu wissen, dass ich bei einem Fehlversuch nicht mit Kopfschütteln sondern Verständnis und Unterstützung aus meinem sozialen Umfeld rechnen kann, war und ist eine der wichtigsten Risiko Mitigationen für mich.
Altersvorsorge
Ich bin kein Vermögensberater, deshalb kann ich hier nur wiedergeben, was ich getan habe.
Vor dem Start meiner Selbständigkeit habe ich einen Beratungstermin mit der Rentenversicherung gemacht (z.B. über 0800 1000 4800). Das hat sich schon allein deshalb gelohnt, weil ich mit dem Berater direkt einige Lücken in meinem Versicherungsverlauf schließen konnte. Aufgrund der Beratung habe ich beschlossen, in der Rentenversicherung zu bleiben. Ich habe mich dabei für den halben Regelbeitrag für die ersten drei Jahre entschieden, das waren knapp 300 €. Zusätzlich zur Beratung fand ich die Broschüre Selbständig – wie die Rentenversicherung Sie schützt hilfreich.
Das andere Standbein heißt Rürup. Im Gegensatz zu Riester auch verfügbar für Selbständige, die nicht mehr in der gesetzlichen Rente sind. Die Prämien können – in einem steigenden Prozentsatz und der Höhe nach begrenzt – nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 b) EStG als Sonderausgaben vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden. Der anrechenbare Prozentsatz beträgt 2023 100 %. 2023 ergibt sich ein Höchstbetrag von 26.528 Euro pro Jahr (bei Verheirateten: 53.056 Euro) [Quelle: Wikipedia]. Gemäß der Empfehlung unseres Bankers ist der Rürup Vertrag auf meine Frau abgeschlossen. Wir bezahlen monatlich einen festen Betrag ein. Wenn am Ende des Jahres noch ein Plus auf dem Geschäftskonto ist, können wir noch flexibel was oben drauf legen.
Riester: wir bezahlen den Mindestbetrag ein, um die Förderung zu bekommen.
Langzeiterkrankungen / Arbeitsunfähigkeit / Berufsunfähigkeit
Auch hier gilt wieder: ich bin kein Versicherungsmakler, aber ich kann beschreiben, was ich getan habe.
Ich bin freiwillig bei der gesetzlichen Krankenkasse versichert, dort ist es so, dass Ausfälle durch Krankheit ganz, teilweise oder gar nicht abgesichert werden können - mit den entsprechenden Auswirkungen auf die Beiträge. Wenn Sie in einer Festanstellung arbeitsunfähig erkranken bezahlt Ihr Arbeitgeber im Normalfall Ihr Gehalt für sechs Wochen weiter. Nach den sechs Wochen würde in der Festanstellung das Krankengeld greifen: Die Höhe des Krankengelds ist gesetzlich vorgeschrieben: Es beträgt 70 Prozent des Bruttoverdienstes, aber nicht mehr als 90 Prozent des Nettoverdienstes (§ 47 SGB V). [Quelle: Finanztip.de]. Ich hätte bei meiner Krankenkasse beides versichern können, ich habe aber aus Kostenabwägungen nur die Krankengeld Option gezogen. Dafür muss ich aber mindestens immer so viele Rücklagen haben, um notfalls sechs Wochen überbrücken zu können.
Im Falle einer Arbeitsunfähigkeit kommt die Rente wegen Erwerbsminderung zum Tragen - soweit man noch in der gesetzlichen Rente ist. Im Gegensatz zum Rentenanspruch verfällt der Anspruch auf Erwerbsminderungsrente nach 2 Jahren. Arbeitsunfähig muss man hier sehr wörtlich nehmen. Wenn Sie aus gesundheitlichen Gründen kein Interim Manager mehr sein könnten, aber eine andere Arbeit wäre noch möglich, sind Sie nicht Arbeitsunfähig, sondern Berufsunfähig. Die Berufsunfähigkeit können Sie mit einer privaten Versicherung absichern. Da das nicht gerade billig ist, habe ich nur einen Teil meines Einkommens über eine entsprechende Versicherung abgesichert.