Das erste Interview mit einem potenziellen Klienten kommt meist über einen Provider zustande. Für den Klienten ist es also kein Erstkontakt und die erste Erwartungshaltung ist, dass der Kandidat bereits alles weiß, was der Provider auch weiß. Die zweite Erwartungshaltung ist, dass der Kandidat über den Klienten orientiert ist - zumindest bezüglich der Informationen, die öffentlich zugänglich sind. Die dritte Erwartungshaltung ist, dass der Kandidat bereits ein grobes Konzept oder einen Ansatz im Kopf hat.
Das Eingehen auf diese Erwartungshaltungen ist ein Zeichen der Wertschätzung und ein guter erster Schritt im Sinne einer vertrauensvollen Zusammenarbeit. Ich verwende meistens 90 Minuten auf die Vorbereitung eines ersten Interviews. In dieser Zeit sind die vorausgegangenen Kontakte mit dem Provider zur Klärung der Anfrage und zum Austausch von Anforderungsprofilen und CVs nicht eingerechnet.
Wie komme ich auf 90 Minuten? Das ist mein ganz persönlicher Erfahrungswert. Diese Zeit brauche ich, um mich gut vorbereitet zu fühlen. Eine viel längere Zeit würde zwar zu einer noch besseren Vorbereitung führen, wäre aber nicht mehr ökonomisch.
Die erste halbe Stunde: Infos vom Provider
Oft stellt der Provider ein Anforderungsprofil (ähnlich einer Stellenausschreibung) zur Verfügung. Dieses Anforderungsprofil habe ich immer zu 100% parat, ich möchte dem Klienten keinesfalls eine Frage stellen, die das Profil bereits beantwortet. Des Weiteren stütze ich mich auf die Mitschriften der Vorgespräche mit dem Provider. Dafür sollten diese so sorgfältig wie möglich angefertigt sein. Für alle Punkte, die für meine eigene Entscheidung wichtig sind, fertige ich eine Fragenliste an. Beispiele für Fragen, die häufig vorkommen, sind:
- Dauer des Mandats
- Tage pro Woche
- Disziplinarische oder fachliche Führung
- Einarbeitung durch den Vorgänger
- Homeoffice / On Premise
- Budgetverantwortung
- ...
Die zweite halbe Stunde: Öffentlich zugängliche Informationen
Zahlen, Daten, Fakten zum Unternehmen sind oft über die Firmen Website zugänglich, aber nicht immer. Neben der Firmen Website sind deshalb meine Haupt-Informationsquellen www.bundesanzeiger.de und www.northdata.de. Es gibt auch andere Portale wie www.moneyhouse.ch oder www.creditreform.de, aber northdata gibt nach meiner Erfahrung die meisten Informationen preis, ohne dass man etwas bezahlen muss.
Zu den handelnden Personen erfährt man am leichtesten etwas bei www.linkedin.com. Um LinkedIn wirklich gut nutzen zu können, braucht man allerdings einen kostenpflichtigen Account und der schlägt mit ca. 40 € pro Monat zu Buche (Minimum). Für die Akquise ist LinkedIn das Geld aber auch Wert. Deshalb buche ich immer einen kostenpflichtigen Account, wenn ich auf der Suche nach einem Mandat bin und kündige wieder, wenn ich angefangen habe, für einen Klienten zu arbeiten.
Wie das Unternehmen von eigenen Mitarbeitern gesehen wird, findet man auf www.kununu.com. Aber Vorsicht: gerade bei Bewertungen mit nur einem Stern nehme ich hier nicht alles für bare Münze. Manchmal stammen diese Posts von enttäuschten Mitarbeitern, die dem Unternehmen schaden möchten.
Die dritte halbe Stunde: Das Grobkonzept
Hier heißt es, sich möglichst gut in den Kunden hineinzuversetzen: was würde ich mir von einem Interim Manager wünschen, wenn ich der Klient wäre? Was würde Ihr Vertrauen als Klient wecken, was möchten Sie vom Kandidaten hören? Es geht nicht darum, sich möglichst stromlinienförmig an die Sichtweise des Klienten anzupassen. Potenzielle Kunden brauchen keine Ja-Sager, sondern Manager mit einem eigenen Kopf die auf Basis ihrer Erfahrung Lösungsansätze einbringen. Jeder Fall ist anders gelagert, aber in vielen Fällen sind die folgenden Punkte Bestandteil des Grobkonzeptes:
- Analyse der Ist-Situation / Bestandsaufnahme
- Entwicklung einer Umsetzungsroadmap
- Abstimmung der Roadmap mit dem Kunden (nach ca. 4-6 Wochen)
Basierend auf den vorliegenden Informationen ergeben sich weitere Punkte für das Grobkonzept.
Das Interview
Mit den genannten Vorbereitungen kann ich gelassen in das erste Interview gehen. Es gibt aber keine Garantie, dass diese Vorbereitungen wirklich zum Tragen kommen. Möglicherweise hat sich zwischenzeitlich die Situation beim Kunden geändert. Manchmal hat der Kunde aufgrund einer Krise auch ganz anderen Gesprächsbedarf. Erzwingen Sie dann nicht die Abarbeitung Ihrer Vorbereitung, sondern gehen Sie flexibel auf den Gesprächsbedarf des Klienten ein. Die einzige Ausnahme: stellen Sie sicher, dass Ihr Fragenkatalog beantwortet ist.
Und immer gilt: zeigen Sie dem Klienten, dass Sie Integer sind, dass alles, was besprochen wird, von Ihnen vertraulich behandelt wird.